Wiener Abreißkalender 2024

Auch im vergangenen Jahr sind schöne Wiener Altbauten abgerissen worden, ohne dass die an ihre Stelle getretenen Neubauten als „Bereicherung des Stadtbildes“ gelten könnten.

Ein von der Wiener Stadtverwaltung besonders protegiertes Großprojekt, die Planungen zum Neubau des ehemaligen Hotel Intercontinental am Heumarkt haben kontroverse Diskussionen hervorgerufen. Die hypertrophen Ausmaße dieses mehrfach umgeplanten Bauwerkes könnten der Stadt Wien sogar das Prädikat des „Weltkulturerbes ‘Wien innere Stadt’“ kosten, weil dieses Gebäude schon jetzt, vor einer geplanten Erhöhung, den Blick vom Belvedere auf die Innenstadt stark beeinträchtigt.

Die Meinungen, ob sich die Stadtverwaltung eine solche Blamage leisten darf, gehen naturgemäß auseinander. Nicht dass es um den bestehenden Bau schade wäre, (von der Energieverschwendung bei eventuellem Abbruch einmal abgesehen), der geplante Um- bzw. Neubau brächte jedenfalls keine Verbesserung des Stadtbildes an dieser Stelle zwischen Stadtpark und Konzerthaus.

Als ein Schlüsselwerk der modernen Architektur würde der geplante Neubau aber auch nach vielen Planänderungen und Reduzierungen nicht in die Baugeschichte der Stadt Wien eingehen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen gilt das aber ohnehin für die Mehrheit aller Wiener Neubauten aus den vergangenen hundert Jahren.

Wenig schmeichelhaft für die Wiener Stadtplanung ist ein Zitat aus dem Internet, den Hotel -Neubau des Intercontinental betreffend: „Das Erbe von Häupl und Vassilakou (damals amtierender Bürgermeister und die für die Genehmigung dieser Planung verantwortliche Stadtbaurätin) wird weitergeführt, was eine Frechheit sondergleichen ist.“

Ein anderer Beitrag befürchtet im Falle einer Baugenehmigung für das Heumarkt einen „Freibrief für alle Baulöwen zur ultimativen Stadtverschandelung“.

Tatsächlich fällt eine deutliche Sympathie von leitenden Vertretern der Stadt Wien für dieses Projekt auf, sogar auf sonst übliche Umweltverträglichkeitsprüfungen wurde verzichtet.  Die Abriegelung der Frischluftschneise durch den bisher 39 Meter hohen Hotel-Riegel aus dem Wiental bleibt trotz aller Warnungen unbeachtet.

Für ein Neubauviertel, die sogenannte „Seestadt“ wurden seit Erstellung des Masterplans im Jahr 2002 alle erdenklichen Reklamemechanismen aktiviert, sogar ein Silvester-Feuerwerk fand dort statt. Inzwischen erntet das einst hochgelobte neue Stadtviertel mit seinen sterilen Straßenbildern deutlich Kritik. Auch das „spannendste Stadtgebiet Europas“ (!) mit weiteren bei der Reichsbrücke findet bei der Stadtplanung oder in Spekulantenkreisen eher Bewunderung als beim größeren Teil der Bevölkerung.

Die anderen Beispiele unseres diesjährigen „Abreißkalenders“ sind weniger spektakulär, dem Betrachter bleibt es aber letztlich selbst überlassen, die Neubauten als Verbesserung des Stadtbildes zu empfinden.

Dieter Klein

ab November 2023, online sowie in ausgewählten Buchhandlungen in Wien

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